Wirklich unerziehbar?

Die Erziehung eines Maremmanos ist weniger als Erziehung zu bezeichnen, eher als gemeinsame Absprache mit einem ebenbürtigen Familienmitglied. Mit Druck funktioniert hier nichts. 

Durch ihre fast schon legendäre, rassebedingte Sturheit, aber auch dank ihres furchtbar schlauen Köpfchens (manchmal sogar etwas zu schlau ;)), handelt es sich bei unseren Fellnasen um eine Rasse, die man ziemlich schwer dazu bringt, banale Kommandos auszuführen. Da muss man schon viel bieten, damit ein langweiliges „Sitz“ akzeptiert wird. Entweder Leckerlies oder aber ein triftiger Grund müssen her (letzteres entscheidet dann natürlich der Maremmano). Dann eventuell sind sie dazu zu bewegen, sich hinzusetzen, oftmals begleitet durch ein Seufzen: „Na gut, wenn Frauchen/Herrchen das so will“. Der abwertende Blick ist inklusive. 

In solchen Momenten denkt man sich nur, wie unglaublich ausdrucksvoll die Mimik eines Hundes doch sein kann … Doch hiermit muss man klarkommen, wenn man sich für einen Maremmano entscheidet.

Ich persönlich muss zugeben, dass genau diese Art einen leicht dazu verleitet, sich in sie zu verlieben. Es gibt immer wieder etwas zu lachen oder etwas, worüber man nur schmunzelnd den Kopf schütteln kann.

Man liest leider oft, dass es mit Herdenschutzhunden sinnlos ist, eine Hundeschule zu besuchen. Das ist so nicht ganz richtig. Es sollte aber unbedingt darauf geachtet werden, dass die Hundeschule sehr viel Erfahrung mit den Besonderheiten von Herdenschutzhunden hat. Auch mit einem HSH-Welpen in eine Welpenspielgruppe zu gehen, kann sinnvoll sein. Einerseits, um an den sozialen Fähigkeiten des Welpen zu arbeiten. So kann der Welpe wichtige hündische Kommunikationsfähigkeiten erlernen und üben, sich mit Hunden anderer Rassen zu verständigen: Wie wild darf ich spielen? Wo sind Grenzen anderer Hunde und wie verstehe ich sie? Und wie zeige ich dem anderen Hund wiederum die eigenen Grenzen?

Doch auch für Hundehalterin und -halter kann eine Hundeschule hilfreich sein, nämlich um auch selber dazuzulernen und den Weg der Entwicklung mit einer professionellen Begleitung zu gehen. Doch auch hier sollte darauf geachtet werden, dass die Welpen nicht eine Stunde lang sich selbst überlassen werden und ohne Anleitung wild herumtollen. Denn so lernen weder Hund noch Mensch irgendetwas. Im Gegenteil. Oftmals bekommen Welpen in solchen unkontrollierten Spielgruppen ihren ersten Knacks. Stichwort: Mobbing.

Schon im Welpenalter ist es wichtig, Struktur in die Erziehung und das Zusammenleben mit dem Hund zu bringen. Wir sind generell gegen das bedauerlicherweise beliebte „Unterordnen.“ Gerade bei unseren Herdenschutzhunden ist es noch wichtiger mit Vertrauen und Geduld zu arbeiten. Druck ist völlig fehl am Platz. Das wird einen Maremmano auch langfristig nicht beeindrucken. Im Gegenteil. Alles, was man dadurch erzielt, ist Gegendruck, der gefährlich werden kann. 

Erziehen mit Konsequenz

Erziehen kann ich durch Konsequenz und klipp und klar gesetzte Grenzen, die sich nicht verändern sollten.

Ein Hund, der genau weiß, was er darf und was nicht, ist ein sicherer Hund …

Ich habe manchmal das Gefühl, dass man mit unseren weißen Riesen Regeln „besprechen“ kann. Man kann sie zum Beispiel bitten, nicht an den Schuhen zu knabbern, indem man die Schuhe mit Geduld immer wieder aus dem Maul des Hundes fischt und sie zurücklegt. Indem man ihnen zeigt, dass es Spielzeuge gibt, mit denen sie spielen dürfen. Der Trick ist, die Ruhe dabei zu bewahren und unbeeindruckt zu bleiben, solange sie sich daneben benehmen. Maremmanos lernen so sehr schnell, vor allem durch positive Bestätigung. Feiert man hingegen ausgiebig, wenn sie zum Beispiel das erste Mal ihr Spielzeug ins Maul nehmen, kann man sich fast sicher sein, dass dieses Verhalten so oft wie möglich wieder gezeigt wird, nur um das Lachen von Herrchen oder Frauchen noch mal zu hören. Sie lieben es, gefeiert zu werden, sie feiern dann sogar mit :D.

Klare Grenzen fangen zu Hause an. Man kann nicht erwarten, dass draußen alles funktioniert, wenn im Haus, wo in der Regel weniger Reize herrschen, alles erlaubt ist.

Bei den meisten unserer erwachsenen Hunde handelt es sich um ordnungs- und ruheliebende Exemplare (auch wenn sie diese oftmals selbst nicht einhalten), deswegen kann es schon mal sein, dass andere herumrasende Hunde auf der Wiese gestoppt werden und die „Maremmano-Polizei“ zur Ruhe auffordert. Um so wichtiger ist es also, die Toleranzgrenze zu erhöhen. Ich habe das mit Trainingsstunden in der Hundeschule erreicht, wo Gruppenstunden mit anderen erwachsenen Hunden sehr hilfreich sind. Tatsächlich ist es auffällig, wie einfach die Kommunikation unter Herdenschutzhunden abläuft, dennoch ist es notwendig, dass unsere Vierbeiner auch mit anderen, etwas aufdringlicheren und „schwer von Begriff, was Privatsphäre betrifft“-Rassen lernen, umzugehen. Da hilft wieder viel Geduld und Ruhe bewahren. Diese überträgt sich dann auf unseren Vierbeiner. 

Zusammenfassend kann man sagen, dass Maremmani durch Ruhe, Geduld, Konsequenz und Souveränität bereit sind, das von ihnen Verlangte auszuführen und zu lernen. Klar können aus Maremmanosicht „doofe“ und sinnlose Kommandos dazugehören. Wenn unser Sturkopf aber sieht, wie sein Mensch sich freut, wenn er brav im Platz liegen bleibt, könnte es durchaus sein, dass er dieses Verhalten nun öfter zeigt. Vertrauen, gegenseitiger Respekt und Fairness im Training machen die Zusammenarbeit im Grunde ganz einfach. Der Weg bis dahin kann aber länger sein, vor allem wenn der Vierbeiner aus dem Tierschutz kommt und bereits ein Päckchen zu tragen hat.

Autorin: Agi Lehr