Die Entscheidung, einem Maremmano-Abruzzese ein Zuhause zu schenken, will gut durchdacht und überlegt sein. Denn auch wenn die kleinen weißen Wollknäuel im Welpenalter gar so niedlich daherkommen, irgendwann haben sie eine Schulterhöhe von gut 65–70 cm erreicht, wiegen bis zu 45 kg und lassen sich nicht mehr die Butter vom Brot nehmen. Wir nehmen unsere Aufgabe ernst, ein passendes Zuhause zu finden: Ehrliche Beratung ist der Kern unserer Tierschutzarbeit.
Das viel- und gern zitierte fünf Hektar große Grundstück, das freistehende Einfamilienhaus mit dem 2.000 Quadratmeter großen Garten oder der landwirtschaftliche Betrieb mit 674 Schafen, sind nicht unbedingt gute Voraussetzungen für jeden Maremmano. Sicher ist es toll, wenn dem „weißen Riesen“ ein Garten zur Verfügung steht, und er, so es seine Prägung zulässt, eine Schafherde hat, auf die er aufpassen kann.
Ein Herdenschutzhund ist … ein Herdenschutzhund!
Viele Maremmani aus dem Tierschutz wären jedoch hoffnungslos überfordert mit der Bewachung eines großen Grundstücks. Und Schafe findet auch nicht jeder Maremmano toll. Ein großes Glück für fast jeden Maremmano ist sein Mensch, seine Familie – und wenn diese dem neuen Familienmitglied behutsam und mit sehr viel Empathie zeigt, wie das Leben in der Gemeinschaft funktioniert. Alle Herdenschutzhunde zeichnet bei entsprechender Führung ein hohes Maß an Loyalität zu ihren Bezugspersonen aus. Und Sie ahnen es vielleicht schon, bei „nicht entsprechender Führung“ können Verhaltensauffälligkeiten beim Hund und im schlimmsten Fall vielleicht sogar aggressives Verhalten entstehen. Dies äußert sich vielfach im oft zitierten „Abwehrschnappen“ – hier verschafft sich der Maremmano Distanz zu einem Reiz, der ihm unangenehm ist.
Auslöser für ein derartiges Abwehrschnappen ist oftmals eine Unterschreitung der Individualdistanz durch den Menschen. Solange der Hund sein Gegenüber nicht richtig einschätzen kann, wird er seinen Menschen lieber auf Abstand halten. Beachtet der Mensch die Signale nicht, wird der Maremmano (und nicht nur der) deutlicher und verschafft sich Raum. Dieses Verhalten bezieht sich ebenfalls auf distanzlose Artgenossen. So finden Herdenschutzhunde andere Hunde mit defensiver Körpersprache (z. B. Labrador, alle Retrieverartigen) ziemlich blöd und entsprechend fällt dann auch deren Reaktion auf das oftmals sehr distanzlose Verhalten aus. Um es mal auf den Punkt zusammenzudampfen: Ein Herdenschutzhund findet dauerfreundliches Herumwackeln und Leftzenschlecken schlichtweg furchtbar. Im günstigen Fall geht er einfach weg. Im ungünstige Fall gibt es eine fette Verwarnung für den „freundlichen“ Artgenossen.
Let’s talk about
Bevor wir einen unserer Hunde in Ihre Obhut geben, werden wir Sie in mindestens einem, wahrscheinlich aber sogar in mehreren Gesprächen ausführlich beraten. Wie eingangs erwähnt, will die Adoption eines Herdenschutzhundes gut überlegt sein. Der Wunsch vieler, einen Welpen aus dem Tierschutz zu adoptieren, den man sich dann „formen“ kann, ist nachvollziehbar. Doch dies ist nicht immer ein Garant für eine gelungene Mensch-Hund-Beziehung. Denn gerade bei Welpen wissen wir oftmals nicht, wer die Elterntiere waren. Im günstigen Fall ist die Mutter bekannt, wenn diese auf der Straße mit ihrem Nachwuchs aufgegriffen wurde. Wenn der Vater nun ein ausgesprochenes „Stinktier“ war, hat er möglicherweise Anteile davon an seine Nachkommen weitergegeben. Und dann kann es auch schon „interessant“ werden, wenn so ein kleiner Rabauke bei Ihnen erwachsen wird. Die Erfahrung zeigt uns immer wieder, dass bis zu einem Alter von ca. 10 Monaten in der Regel noch alles gutgeht. Dann fangen die Probleme an. Ihr kleiner Wonneproppen kommt nämlich in die Pubertät und fängt an, den Kotzbrocken rauszuhängen und alles, was seither gut funktioniert hat, zu hinterfragen.
Hat der Knirps seither keinen Benimm gelernt, kennt er keine Regeln und hat er in seinen Menschen keine verlässlichen Bezugspartner, wirds ab diesem Zeitpunkt interessant. Nicht selten fängt dann nämlich der „Schnösel“ an, die Zähne zu zeigen und zu drohen, wenn etwas nicht nach seinem Willen geht. Schreien, schimpfen und strafen sind keine probaten Mittel, um seinem pubertierenden Schnösel Einhalt zu gebieten. Vielmehr sollte kritisch hinterfragt werden, wo in der bisherigen Erziehung die Fehler zu suchen sind. Einen Hundeverhaltenstherapeuten zurate zu ziehen, macht dann Sinn. Wer meint, das Problem alleine lösen zu können oder unqualifizierte Hundetrainer damit beauftragt, dem Schnösel mal zu zeigen, wo „der Hammer hängt“, ist meist ein halbes Jahr später so weit, dass er den Hund abgibt. Viele Tierheiminsassen haben bereits eine traurige Laufbahn hinter sich.
Bei Hunden, die dem Welpenalter entwachsen sind, können wir bereits mehr über ihre Verhaltensweisen und Eigenschaften sagen und oft besser einschätzen, ob ein Hund zu Ihnen passt. Wenngleich natürlich auch bei einem erwachsenen Hund sehr viele Dinge zu berücksichtigen sind.
Wir sind da
Wir sind uns der Verantwortung, die wir tragen, sehr bewusst. Deshalb dürfen Sie auch nach einer Vermittlung mit uns rechnen. Für uns ist der „Fall“ mit der Überweisung der Schutzgebühr nicht erledigt. Wir stehen Ihnen bei auftauchenden Fragen und Problemen gerne mit Rat und Tat zur Seite. Das heißt konkret, dass wir Ihnen nach einer Adoption einen Tierpsychologen oder einen Hundeverhaltenstherapeuten an die Seite stellen, der den Hund in seiner neuen Umgebung beobachtet, einschätzt und gegebenenfalls schon Handlungsbedarf erkennt, bevor etwas aus dem Ruder läuft und der neue Hausgenosse Eigenschaften an den Tag legt, die dem Zusammenleben nicht unbedingt zuträglich sind. Und wir freuen uns natürlich riesig, wenn nach der Adoption alles rund läuft. Denn dann wissen wir, dass wir alles richtig gemacht haben.