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Aggression, als Teil des agnostischen Verhaltens, ist ein wichtiges Werkzeug zur Kommunikation unter Hunden. Vereinfacht gesagt: Aggression dient dazu, eine individuell wahrgenommene „Störung“, zu entfernen. Dabei wird Aggression bzw. die dahinterstehende Motivation in unterschiedliche Kategorien unterteilt. (s. Videoseminar „Das Aggressionsverhalten des Hundes – speziell des Herdenschutzhundes“)

Statusaggression kann weitestgehend der Kategorie „Wettbewerbsaggression“ zugeordnet werden. Es handelt sich aber bei dieser Form der Aggression, um eine komplexe Mischform. Es sollte nicht pauschal von „der Statusaggression“ gesprochen werden, da sie grundsätzlich sehr selten vorkommt und individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Grundsätzlich geht es nicht um Ressourcen, hormonelle Einflüsse oder den Gesundheitszustand, sondern hat mit der Beziehung zwischen Mensch und Hund zu tun.

Ganz wichtig(!!!): Statusaggression hat nichts mit Dominanz zu tun! Dominanzverhalten ist immer situativ und beschreibt keine Beziehungsebene. Es ist die Fähigkeit, die eigenen Interessen in einem Moment durchzusetzen, ohne (!) darum streiten zu müssen.

Spielen bei der Statusaggression individuelle Eigenschaften eine Rolle?

  • Hundepersönlichkeit und Temperamentstyp
  • Rassespezifische Merkmale (defensiver oder offensiver Typ)
  • Erworbene Eigenschaften und gemachte Erfahrungen (nicht nur Hunde aus dem Tierschutz)
  • Hauptgrund: Qualität Hund-Mensch-Beziehung und Bindung

Gründe und Motive für Statusaggression beim Hund

Die Gründe für eine Statusaggression beim Hund sind sehr vielfältig und immer individuell.

Statusaggression ist ein sehr komplexes Thema, bei dem es um die sozialen Strukturen innerhalb eines Verbandes geht. Da es sich hierbei um eine Aggressionsform, die am ehesten der Kategorie Wettbewerbsaggression zugeschrieben werden kann, gibt es oft eine „Ressource“, die in dem Moment eine besondere Wichtigkeit für den Hund hat. Das kann ein besonderer Liegeplatz sein, wie z. B. das Sofa oder das Bett. Aber auch Orte oder Räume können eine Bedeutung bekommen: der Flur, das Schlafzimmer, der Garten, usw. Natürlich können auch Futter, Spielzeug, Menschen, etc. verteidigt werden. Dabei geht es aber weniger um die Ressource an sich, sondern vielmehr um die prinzipielle Nachfrage, „was passiert, wenn …?“. Es geht nicht um einen weltherrschaftlichen Anspruch des Hundes und schon gar nicht um die Frage „Wer ist das Alphatier“. Diese Theorie ist veraltet und längst widerlegt.

Für gemeinsame Erkundungen mit dem Beziehungspartner ist keine Aggression notwendig

Der soziale Verband meint das gemeinschaftliche Zusammenleben zwischen Mensch und Hund (von Rudel spricht man nur, wenn es innerhalb einer Art bleibt. Also z. B. nur Hunde). Es geht also vielmehr um die Frage nach der Beziehung, da es große Unklarheiten im sozialen Gefüge gibt.

Hunde leben mit Menschen in Strukturen, in denen es Regeln, Grenzen und Sicherheiten geben muss. Der Mensch übernimmt in dieser Struktur aber die volle Verantwortung. Sind diese Punkte nicht gegeben, wird der Hund unsicher. Wird eine Aufgabe von einem oder mehreren Gruppenmitgliedern nicht übernommen, sieht sich der Hund in der Verantwortung und entscheidet selbst, wie er sie übernimmt. Je nach Charakter, Erfahrungen und Temperamentstyp reagieren Hunde darauf sehr unterschiedlich. Verhaltensauffälligkeiten sind jedoch bei den allermeisten zu beobachten und manche Typen fragen eben deutlicher nach, wer sich jetzt um die Sicherheit der Gruppe kümmert. Es muss also eine Beziehung vorhanden sein, um nachfragen zu können.

Zudem ist das Verhalten, das Erfolg bringt, also auch aus Sicht des Hundes, selbstbelohnend. Mit jedem Erfolg werden Hormone ausgeschüttet, die signalisieren: Das war richtig und ich habe mein Ziel erreicht, also lohnt es sich, dieses Verhalten zu zeigen.

Statusaggression beim Hund erkennen

Wie bereits gesagt, ist diese Verhaltensweise selten stark ausgeprägt. Allerdings ist sie dann auch sehr eindrucksvoll und wird offensiv gezeigt, oft zeigen diese Hunde auch eine Beschädigungsabsicht. Vor allem, wenn vorangegangene Signale nicht gesehen oder ignoriert wurden (s. auch Videoseminar „Beißvorfälle im häuslichen Bereich“). Jeder Hund zeigt vorher Anzeichen, wenn etwas nicht gut läuft. Dazu gehört auch Drohverhalten, das in jedem Fall ernst genommen und hinterfragt werden sollte! Drohverhalten gehört dabei zu einer normalen Kommunikation und sollte in keinem Fall aberzogen werden!

Typische Anzeichen von Statusaggression beim Hund

  • Gesteigertes Drohverhalten (knurrt, sobald sich jemand bewegt)
  • Plötzliche Stimmungsänderungen (von freundlich zu drohend)
  • Körpersprache und Kommunikationssignale (Fixieren, Einfrieren, sich groß machen, Drohen, steifer Gang und erhobene Rute)
  • Kontrollzwang (Beobachten, in den Weg stellen und blockieren, sich breit machen z. B. auf Sofa, Bett, nicht angefasst werden wollen)
  • Starkes Imponierverhalten gegenüber dem Menschen

Wichtig!: alle Anzeichen treten auch in anderen Kontexten auf und dürfen nicht pauschalisiert werden!

Was tun bei Statusaggression beim Hund?

In jedem Fall sollte ein Spezialist zur Seite gezogen werden. Hundetrainer oder Verhaltenstherapeuten mit spezieller Ausrichtung auf Aggressionsverhalten, da es sich hierbei um eine besondere Form handelt. Man sollte nicht versuchen das Thema alleine aufzulösen, da Statusaggression viele Ursachen haben kann und es nicht darum geht, irgendwelche „Kämpfe“ mit dem Hund auszutragen oder zu gewinnen. Der Prozess muss begleitet und genau angeleitet werden, um nicht größeren Schaden anzurichten.

Außerdem sollte zunächst die Gesundheit des Hundes überprüft werden, vor allem wenn diese Form der Aggression sehr plötzlich auftritt. Schmerzen, Tumore, hormonelles Ungleichgewicht (z. B. Schilddrüsenerkrankung) und andere Krankheiten, können Aggressionen auslösen und sollten unbedingt im Vorfeld abgeklärt werden! Einem kranken Hund hilft auch das beste Training nicht!

Gleichzeitig muss die eigene Position hinterfragt werden: Weiß ich, wer ich bin? Meine ich, was ich sage? Und halte ich mich auch daran? Ungezügeltes Aggressionsverhalten ist für unsere Hunde in der Regel nur der allerletzte Ausweg. Als hoch soziale Wesen, liegt es nicht in der Natur des Hundes, nachhaltige Streits innerhalb der sozialen Gruppe auszuleben. Statusaggression weist auf ein Problem in der Beziehung hin und hat immer zwei Seiten.

Wie Statusaggression beim Hund vorbeugen?

Da es vor allem um die Sicherheit und Klarheit der Beziehung geht, müssen zunächst alle Grundbedürfnisse des Hundes erfüllt sein: Futter, Schlaf, soziale Nähe (hiermit ist vor allem der Mensch gemeint!), ein Territorium.

Ein zweiter wichtiger Punkt betrifft die soziale Interaktion. Von wem kommen die meisten Spielaufforderungen, wer bestimmt wann es Futter gibt, wann gekuschelt wird? Wer wird am meisten angeschaut, angesprochen und angefasst? Auch hier geht es nicht darum, dass der Hund „an letzter Stelle in der Rangordnung steht“. Es geht vielmehr um das natürliche Zusammenleben. Hunde orientieren sich stark an der Leitfigur der Gruppe, heißt sie müssen oft zu ihr schauen, sie wollen Aufmerksamkeit und die Bestätigung der Zusammengehörigkeit.

Es ist ein nettes Experiment, mal darauf zu achten, wer den Alltag bestimmt, von wem die Interaktionen gestartet und beendet werden. Ist der Mensch immer für den Hund verfügbar und lässt alles stehen und liegen, sobald der Hund etwas einfordert? Wer bewegt wen? Schaue ich meinen Hund ständig verliebt an und muss ihn immer streicheln, wenn ich an ihm vorbeilaufe?

Hunde folgen am liebsten demjenigen, der Ruhe und Zuversicht ausstrahlt. Eine souveräne Art, den Alltag zu gestalten, ist primär. Mit Zwang, Geschrei oder Gewalt, erschafft man kein angenehmes Miteinander. Hunde haben zudem ein gutes Gespür für Fairness. Aufgestellte Regeln sollten also sinnvoll sein und auch eingefordert werden. Diese dienen nicht nur dem eigenen Schutz, sondern auch dem des Hundes. Die Regeln müssen nicht immer für den Hund verständlich sein, aber konsequent eingehalten werden. Konsequenz beruht aber auch auf Kooperation und das muss miteinander gelernt werden. Wie soll er sonst verstehen, dass er ihnen vertrauen darf und muss, wenn es wirklich mal eine gefährliche Situation gibt?

Veronika Linde, Tierpsychologin und Hundeverhaltenstherapeutin

Literatur:

Krivy, P. Und Gansloßer, U.: Mein Hund zeigt Aggressionen (Müller Rüschlikon: Hundeverhalten verstehen, 2017)
Gansloßer, U. (Hrsg.): Natürlich Aggressiv (Filander Verlag: Expertenwissen für Hundehalter, 2011)
Gansloßer, U. (Hrsg.): Rudelstrukturen in Hundegruppen (Filander Verlag: Expertenwissen für Hundehalter, 2015)
Gansloßer, U.: Verhaltenspsychologie & Medizin (Kosmos, 2023)
O’Heare, J.: Die Neuropsychologie des Hundes (Animal Learn Verlag, 2009)
O’Heare, J.: Das Aggressionsverhalten des Hundes (Animal Learn Verlag,
Mehl, R.: Die Psyche des Hundes (Kosmos, 2021)
McConnell, P.: Liebst du mich auch? (Kynos, 2007)
McConnell, P.: Trafen sich zwei (Kynos, 2007)
McConnell, P.: Das andere Ende der Leine (Piper, 2009)
Wilde, N.: Vertragt euch! Harmonisches Hundeleben unter einem Dach (Kynos, 2019)
Wilde, N.: Knurrende Kunden (Kynos, 2009)

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