Jede Woche erreichen uns im Schnitt zwischen drei und fünf Hilferufe. Nein, nicht aus Italien. Die Hilferufe kommen aus Deutschland und sind teilweise sehr dramatisch. Eines fällt dabei besonders auf: Fast alle Maremmani, derentwegen der Kontakt zu uns gesucht wird, sind zwischen 8 und 18 Monate alt, also mitten in einem pubertären Schub. Unser jüngster Maremmanomix, der ein neues Zuhause suchte, war gerade mal drei Monate alt. Der Grund, weshalb Hilfe gesucht wird oder die Hunde abgegeben werden sollen sind in fast allen Fällen Aggressionen und Beißvorfälle bis hin zu Beißvorfällen mit Beschädigungsabsicht innerhalb der Familie. Auch unser Dreikäsehoch hatte seine Familie mit drei Monaten bereits fest im Griff und maßregelte die Familienmitglieder, wenn es nicht nach seinem Kopf ging. Nach Deutschland war der kleine Mann illegal im Kofferraum eines Pizzaofenverkäufers aus Sizilien gekommen – gemeinsam mit seiner Schwester. Ein klarer Fall von Welpenhandel, einmal mehr unterstützt durch den Kauf des Hundes.
Die Maremmani, die in Deutschland verhaltensauffällig werden, stammen interessanterweise oftmals aus gutem Hause und wurden nicht, wie unser kleiner Maremmanomix auf dem Bild, viel zu früh der Mutter entrissen und durch halb Europa gekarrt. Aus gutem Hause meint, dass die Maremmani behütet und gut sozialisiert aufwuchsen, teilweise aus guten Zuchten kommen und mit Sicherheit keine schlechten Erfahrungen gemacht haben.
Was läuft schief?
Was genau schiefläuft, darüber können wir nur mutmaßen. Da die Aggressionsproblematik häufig in Zusammenhang mit einem pubertären Schub auftritt, liegt natürlich die Vermutung nahe, dass hier von vornherein Regeln und Grenzen nicht klar genug gesetzt wurden. Im pubertären Größenwahn wird dann versucht, die Schwachstellen auszuhebeln und „die Familie“ nach eigenem Gutdünken zu gestalten. Als offensiv agierender Hund greift der heranwachsende Schnösel dann auch gerne mal zu probaten Mitteln wie maßregeln durch drohen, imponieren und in letzter Konsequenz auch beißen. Schreitet man hier nicht ein, sind massive Probleme vorprogrammiert. Allerspätestens jetzt sollte man einen erfahrenen Hundeverhaltensberater zurate ziehen. Die Anfänge dieses Verhaltens jedoch liegen lange zurück. Nicht gesetzte Grenzen, schwammige Regeln aber auch massive Überforderung, Stress und nicht artgerechte Haltung können Auslöser für aggressives Verhalten sein. In seltenen Fällen sind auch medizinische Probleme ursächlich.
Vor allem dann, wenn bereits Blut geflossen ist, will kein Hundetrainer oder Verhaltensberater so recht ran an den Hund und die Betroffenen stehen oftmals alleine da. Viele schweigen dieses Thema auch tot. Keiner gibt in der Öffentlichkeit gerne zu, dass sein Hund ihn maßregelt und beißt. Nicht wenige HSH-Besitzer verlegen ihre Gassirunde auf die Nachtstunden, um nur ja niemandem zu begegnen. Was ist das für ein Leben? Nicht nur für die Leute, nein, auch für den Hund?
Erst wenn der Leidensdruck sehr groß ist, wird Hilfe angefragt. Zu spät ist es nie dafür. Harley hat es bewiesen. Jedoch wird es, je länger dieser Zustand anhält, schwieriger, den Hund in der Familie zu belassen, da das Vertrauensverhältnis grundlegend Schaden genommen hat. Hier beginnt dann ein Teufelskreis, der sich nur schwer durchbrechen lässt. Denn haben die Bezugspersonen Angst vor ihrem Hund, merkt dieser das natürlich und reagiert entsprechend.
Oftmals muss der Hund schnellstmöglich raus aus der Situation
Wenn wir um Hilfe gebeten werden, versuchen wir natürlich, nach bestem Wissen und Gewissen eine Lösung für alle Beteiligten zu finden. Seit unserem Bestehen sind wir bestrebt, ein solides Netzwerk sowohl in Italien, als auch in Deutschland aufzubauen, das genau solche Fälle abfedert und quasi als „Erste Hilfe“-Maßnahme fungiert. Doch immer wieder stoßen wir auch an unsere Grenzen, vor allem in finanzieller Hinsicht, denn einen auffällig gewordenen Maremmano aus dem häuslichen Bereich zu nehmen und ihn auf einen adäquaten Platz zu setzen, wo auch mit ihm gearbeitet wird, kostet Geld – viel Geld, welches die betroffenen Personen oftmals nicht für ihren Hund aufbringen können, selbst wenn sie es wollten. Übrig bleibt dann noch ein Tierheim, doch die sind hoffnungslos überfüllt oder, im schlimmsten Fall, die Euthanasie des Hundes. Auch das erleben wir und wir möchten nicht wirklich wissen, wie viele Maremmani (und andere Herdenschutzhunde) eingeschläfert werden, weil sie zu einer Waffe geworden sind. Wenn man die weißen Riesen liebt, und das tun wir, ist dies eine furchtbare Vorstellung.
Maremmani brauchen unsere Hilfe
Egal ob in ihrem Heimatland oder hier bei uns in Deutschland – so viele Maremmani geraten in Not und brauchen dringend unsere Hilfe. Wirklich helfen können wir als Verein jedoch nur, wenn ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.
Mit Spenden, Patenschaften oder Fördermitgliedschaften tragen Sie einen wichtigen Teil dazu bei, einem Maremmano, der in Deutschland in Not geraten ist, zu helfen. Denn auch das gibt es … leider.
Ach ja, unser kleiner Dreikäsehoch, der seine Familie drangsalierte und nicht mehr händelbar war, fand ruckzuck eine Pflegestelle und … durfte bleiben.